MENU

  • Symbolbild: Gefängnis in der DDR
    Mehr erfahren
    Besser verstehen

Symbolbild

Glossar

Das Glossar bietet zusammengefasst ausgewählte Informationen zu zentralen Begriffen rund um die deutsche Teilung von 1949 bis 1990, insbesondere zur DDR. Außerdem wird der seit 2011 andauernde Syrien-Konflikt behandelt. Einen besonderen Schwerpunkt bildet dabei das Thema Flucht.

> Gehe zu: Glossar Syrien und Flucht heute

DDR

  • 17. Juni 1953 – Volksaufstand in der DDR

    Im Sommer 1952 beschloss die Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) offiziell den „Aufbau des Sozialismus“ in der DDR nach dem Vorbild der Sowjetunion. Weitgehende Eingriffe in das ökonomische und gesellschaftliche Leben gingen mit verstärkter Verfolgung politischer Gegner einher. Die Unzufriedenheit der DDR-Bevölkerung mit den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen wuchs. Immer mehr Menschen verließen die DDR in Richtung der demokratischen Bundesrepublik.

    Am 16. Juni 1953 forderten Bauarbeiter in Berlin die Rücknahme einer Erhöhung ihrer Arbeitsnorm, freie Wahlen und den Rücktritt der Regierung. Ein Volksaufstand gegen die SED-Diktatur begann. Einen Tag später kam es in der gesamten DDR zu Protesten.

    Bis zum 21. Juni beteiligten sich in über 700 Städten und Gemeinden mehr als eine Million Menschen an Demonstrationen und Streiks. Demonstranten stürmten staatliche Einrichtungen und Parteigebäude. Es kam zu Brandstiftungen und Gefangenenbefreiungen. Angehörige aller sozialen Schichten beteiligten sich am Aufstand, darunter mehrheitlich Arbeiter.

    Den DDR-Sicherheitsorganen entglitt die Kontrolle. Nur durch den Einsatz sowjetischer Truppen konnte der Aufstand niedergeschlagen werden. Mehr als 50 Protestierende wurden getötet. Auch Angehörige der paramilitärischen Kasernierten Volkspolizei, eines Vorläufers der 1956 gegründeten Nationalen Volksarmee der DDR, starben bei der Konfrontation mit den Aufständischen. Sowjetische Truppen und DDR-Dienststellen verhafteten etwa 15.000 Menschen, von denen mehr als 1.200 zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Mindestens 20 Aufständische wurden standrechtlich erschossen. Zehntausende DDR-Bürger flohen in die Bundesrepublik Deutschland, um einer Verfolgung zu entgehen.

    Als Reaktion auf den Aufstand baute die SED ihren Macht- und Sicherheitsapparat erheblich aus und verschärfte die Repressionen gegen die Bevölkerung. Entgegen allen Tatsachen ging der 17. Juni 1953 als vom Westen gesteuerter „faschistischer Putsch“ in die DDR-Schulbücher ein.

  • Ausreiseantrag

    Eine legale „ständige Ausreise” sahen die Gesetze der DDR nicht vor. Dennoch genehmigten die Behörden häufig entsprechende Anträge von Rentnern und anderen aus ihrer Sicht „unproduktiven” Menschen, während die meisten Bürger weder für Urlaube noch dauerhaft ins „nichtsozialistische Ausland” reisen durften.

    Am 01. August 1975 begann sich die Lage zu ändern: Die DDR unterzeichnete genau wie zahlreiche europäische Staaten und die beiden Supermächte USA und Sowjetunion die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die ein Bekenntnis zu den Menschenrechten umfasste. Nun konnten sich auch Nicht-Rentner darauf berufen, dass die DDR-Regierung den eigenen Bürgern ausdrücklich das Recht auf die freie Wahl des Wohnortes und Freizügigkeit eingeräumt hatte.

    Trotzdem nahmen die zuständigen Behörden Anträge auf „Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR” häufig gar nicht erst an oder lehnten sie als „rechtswidrig” ab. Die Antragsteller wurden zu persönlichen Aussprachen einbestellt und auf die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens hingewiesen. Durch solche Einschüchterungen sollten die Antragsteller ihr Vorhaben von selbst zurücknehmen.

    Wer weiterhin an seinem Ausreisebegehren festhielt, sah sich in aller Regel massiven Restriktionen und Diskriminierungen im Alltag ausgesetzt. Diese reichten von Rufschädigung, Studien- beziehungsweise Arbeitsplatzverlust bis hin zu Ermittlungsverfahren. Die Bearbeitung der Anträge zog sich oft über Jahre hin und ergab zumeist einen ablehnenden Bescheid.

    Dennoch entfaltete die Möglichkeit, die DDR per Antrag verlassen zu können, eine Sogwirkung. Der ständig wachsenden Anzahl von Ausreiseersuchen und den sich mehr und mehr organisierenden Antragstellern mit teils öffentlichkeitswirksamen Protestaktionen waren die DDR-Behörden nicht gewachsen. Dies trug wesentlich zum Niedergang des SED-Staates bei.

  • Barkas

    Der Barkas B 1000 war ein Kleintransporter, der in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) in mehreren Varianten hergestellt wurde. Für den Häftlingstransport wurde ein Kastenaufbau verwendet. Während das Auto oft äußerlich mit Werbesprüchen wie “Frischer Fisch auf den Tisch” als Kühlfahrzeug für Lebensmittel getarnt war, saßen im Inneren Häftlinge auf engstem Raum in fünf winzigen fensterlosen Zellen in der Größe von 80 cm x 60 cm. Eine kleine Lampe wurde nur von außen bedient, so dass die Häftlinge die stundenlange Fahrt oft in völliger Dunkelheit verbrachten, was mitunter Angst und Orientierungslosigkeit bei den Insassen auslöste.

  • Berlin-Hohenschönhausen

    Auf einem Areal im Berliner Stadtteil Hohenschönhausen befanden sich von 1945 bis 1989 verschiedene Gefängniseinrichtungen. Bis 1946 nutzte die sowjetische Militäradministration das Gelände einer ehemaligen Großküche als Speziallager. Anschließend war im Keller des Gebäudes zunächst das zentrale Untersuchungsgefängnis des sowjetischen Geheimdienstes und ab 1951 des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR untergebracht. 1961 wurde das Gebäude um einen Neubau erweitert. Bis 1989 waren dort Tausende Menschen größtenteils aus politischen Gründen inhaftiert.

    Direkt neben den Anlagen der Untersuchungshaftanstalt unterhielt das MfS von 1952 bis 1974 auch ein eigenes Haftarbeitslager, das sogenannte Lager X. Die Entscheidung, welche Häftlinge nach ihrer Verurteilung dorthin kamen, basierte auf beruflichen Qualifikationen. Zu den Hauptaufgaben der Gefangenen gehörte bis 1961 der Neubau der benachbarten Untersuchungshaftanstalt. Später wurden die Häftlinge des „Lagers X“ auch zum Bau und zur Instandhaltung von Freizeit- und Kultureinrichtungen des MfS eingesetzt.

    Die Arbeits- und Lebensbedingungen im „Lager X“ waren im Vergleich zu anderen Haftorten deutlich besser, doch ein ausgebautes Spitzelsystem und häufig erteilte Arreststrafen gehörten auch hier zum Lageralltag.

  • Checkpoint Charlie

    Der Checkpoint Charlie war zwischen 1961 und 1990 der einzige alliierte Kontrollpunkt an der Berliner Mauer. Dieser Übergang zwischen Ost- und West-Berlin durfte nur von Militär- und Botschaftsangehörigen der Besatzungsmächte, Mitarbeitern der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR, anderen Ausländern sowie von DDR-Funktionären passiert werden.

  • Deutsche Teilung

    Der von Deutschland ausgelöste Zweite Weltkrieg führte im Mai 1945 zur bedingungslosen Kapitulation und der vollständigen Besetzung des Landes durch die Allianz der Siegermächte USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion. Die NS-Herrschaft hatte ein unvorstellbares Maß an Zerstörung hinterlassen. Die Verbrechen des sogenannten Dritten Reiches, die mindestens 60 Millionen Todesopfer forderten, schlossen Deutschland auf lange Zeit aus der Gemeinschaft zivilisierter Staaten aus. Nach Abtrennung eines beträchtlichen Teils des deutschen Staatsgebietes bildeten die Alliierten aus den verbliebenen Territorien vier Besatzungszonen. Die Reichshauptstadt Berlin sollte von den vier Siegermächten gemeinsam verwaltet werden.

    Schon bald nach Kriegsende wandelte sich die Zusammenarbeit der Anti-Hitler-Koalition jedoch in eine Konfrontation, die in den Kalten Krieg mündete. Die Folge war die Gründung zweier deutscher Separatstaaten nach den Vorgaben der jeweiligen Besatzungsmächte im Jahr 1949.

    Die Lage im geteilten Deutschland hing bis 1990 immer von den internationalen Rahmenbedingungen ab. Die Bedingungen der Teilung und die Perspektiven einer künftigen Wiedervereinigung konnten von den Deutschen in Ost und West nur wenig beeinflusst werden. Beide deutsche Staaten waren in gegnerische wirtschaftliche und militärische Allianzen eingebunden und befanden sich politisch und gesellschaftlich in scharfer Systemkonkurrenz. Trotzdem blieben gemeinsame historische und kulturelle Wurzeln weiter bestehen.

    Die DDR versuchte ab Mitte der 1960er Jahre alle gesamtdeutschen Bezüge in Staat und Gesellschaft zu beseitigen. Die Bundesrepublik hielt dagegen offiziell immer am Ziel der deutschen Wiedervereinigung fest, auch wenn diese Perspektive vielen Westdeutschen immer weniger realistisch erschien. Insbesondere für DDR-Flüchtlinge war die nach bundesdeutschem Recht weiterbestehende gemeinsame deutsche Staatsbürgerschaft von großer Bedeutung.

  • Familien im geteilten Deutschland

    Die DDR-Führung untersagte ihren Bürgern Reisen ins „kapitalistische Ausland” und misstraute Personen mit Verbindungen in die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich, selbst wenn es sich dabei um Austausch mit engsten Familienangehörigen handelte. Persönliche, telefonische und postalische Kontakte zu Angehörigen und Freunden im Westen konnten zu Repressionen durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und zu massiven Nachteilen im beruflichen und privaten Leben führen.

    Obwohl die Verletzung des Briefgeheimnisses in der DDR nach § 135 des Strafgesetzbuches (StGB) unter Strafe stand, überwachte das MfS den Postverkehr zwischen Ost und West systematisch. Auch bei Telefonaten bestand stets die Gefahr, durch Mitarbeiter des MfS heimlich abgehört zu werden. So gewonnene Informationen verwendete die Staatssicherheit zum Nachteil oder sogar zur strafrechtlichen Verfolgung der DDR-Bürger – beispielsweise wegen „öffentlicher Herabwürdigung der staatlichen Organe” (§ 220 StGB) oder angedeuteter Fluchtvorhaben in privaten Schreiben.

    Viele DDR-Bürger stellten aufgrund der Überwachung und drohender Nachteile den Kontakt zur Verwandtschaft ein oder beschränkten sich auf möglichst risikoarme und unpersönliche Themen, was häufig zum Auseinanderleben der Familien führte. Manche trafen sich mit ihrer West-Verwandtschaft im sozialistischen Ausland – zum Beispiel in der tschechoslowakischen Hauptstadt Prag oder am Plattensee in Ungarn. Andere versuchten die DDR per Ausreiseantrag oder Flucht dauerhaft zu verlassen, um ihre Verwandten wiederzusehen, und riskierten dabei lange Haftstrafen oder sogar ihr Leben.

  • Flucht aus der DDR in Zahlen

    Zwischen 1949 und 1989 flohen etwa drei Millionen Menschen aus der DDR in die Bundesrepublik und nach West-Berlin, davon ungefähr 90 Prozent in den zwölf Jahren vor dem Mauerbau 1961.

    Im Jahr 1953 erreichte die Fluchtbewegung ihren Höhepunkt – mehr als 331.000 Menschen verließen das Land in Richtung Westen. Ihre Fluchtgründe waren vielfältig. Die meisten waren enttäuscht von der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und frustriert angesichts des im Sommer 1952 von der SED verkündeten „Aufbau des Sozialismus“ mit seinen drastischen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Folgen. Viele Bürger hatten durch die gewaltsame Niederschlagung des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 jede Hoffnung auf Veränderungen verloren oder flohen aus Angst vor Repressionen, weil sie sich am Aufstand beteiligt hatten.

    Eine weitere Explosion der Fluchtzahlen zeichnete sich im Jahr 1961 ab. Allein bis zur Grenzschließung am 13. August flohen rund 155.000 Menschen, unter anderem aufgrund von Enteignungen und Zwangskollektivierungen in der Landwirtschaft. Mit dem Mauerbau vermochte die SED-Führung die Fluchtbewegung einzudämmen, aber nicht zu stoppen: Bis zum Jahresende 1961 gelang noch mehr als 50.000 Menschen die Flucht.

    In den Folgejahren baute die DDR die Grenzanlagen immer weiter aus. Die Zahl der erfolgreichen Fluchten sank ab diesem Zeitpunkt stetig, und die staatlichen Organe der DDR vereitelten Jahr für Jahr eine deutliche Mehrheit der Fluchtversuche. Ab Mitte der 1980er Jahre stiegen die Zahlen wieder, vor allem weil aufgrund von Lockerungen der Reisevorschriften immer mehr DDR-Bürger Verwandte in der Bundesrepublik besuchen durften. Viele von ihnen entschieden sich gegen eine Rückkehr in die DDR.

    1989 kam es erneut zu deutlich mehr Fluchten als in den Vorjahren, vorwiegend über die ungarisch-österreichische Grenze nach dem Abbau der dortigen Grenzanlagen und über die bundesdeutschen Botschaften in Budapest, Warschau und Prag. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) registrierte allein zwischen Januar und Anfang Oktober 1989 mehr als 50.000 gelungene Fluchten. Die Massenflucht 1989 trug entscheidend zum Zusammenbruch der SED-Diktatur bei.

  • Fluchthilfe

    Viele fluchtwillige Bürger nutzten die Hilfe Dritter, um aus der DDR zu entkommen. Die Formen der Unterstützung waren vielfältig. Fluchthelfer besorgten gefälschte Pässe, gruben aufwändig Tunnel, nahmen die Flüchtlinge auf Booten mit oder schmuggelten sie in Kofferräumen und umgebauten Autos über die Grenze.

    Zahlreiche Fluchthelfer handelten aus Solidarität, unter ihnen auch Freunde, Bekannte und Familienangehörige aus dem Westen, die zuvor selbst aus der DDR geflohen waren. Kommerzielle Fluchthelfer hingegen, die auf eigene Faust oder in professionellen Gruppen arbeiteten, verlangten hohe Geldbeträge für ihre Ausschleusungsdienste.

    Fluchthelfer nahmen ein hohes persönliches Risiko in Kauf. Das Ministerium für Staatssicherheit verübte Mordanschläge auf einige von ihnen und schleuste Spitzel in Fluchthilfeorganisationen ein. Wer als Helfer verhaftet wurde, musste mit langen Haftstrafen wegen „staatsfeindlichen Menschenhandels“ rechnen.

  • Freie Deutsche Jugend (FDJ)

    Der FDJ gehörten nahezu alle Jugendlichen ab 14 Jahren an. Jüngere Kinder wurden mit Schuleintritt meist Mitglieder der Pionierorganisation Ernst Thälmann, die der FDJ angegliedert war. Die Unterbringung in festen Gruppen mit strengen Regeln sollte sie auf das Leben im gesellschaftlichen Kollektiv vorbereiten. Außerdem sollte die FDJ die SED-Politik unter Jugendlichen propagieren und diente der ideologischen Vorbereitung junger Menschen für einen späteren Parteieintritt.

    Offiziell war die Mitgliedschaft in der FDJ freiwillig. Doch die wenigen, die ihr nicht beitraten, mussten mit erheblichen schulischen und später beruflichen Nachteilen rechnen. So war ihnen in aller Regel der Zugang zum Abitur versperrt. Das galt besonders, wenn eine kritische Haltung auch in anderen Bereichen sichtbar wurde, etwa durch einen westlich geprägten Kleidungsstil oder dem Engagement in der Kirche und besonders in der evangelischen Jugendgruppe Junge Gemeinde.

    Dieser persönliche Druck war neben zahlreichen Freizeitangeboten ein Hauptargument für die Mitgliedschaft in der FDJ. Von ihrer inhaltlich-politischen Arbeit fühlten sich hingegen viele Jugendliche nicht angesprochen und verließen die Jugendorganisation nach Abschluss ihrer Berufsausbildung bzw. des Studiums wieder.

    Eine wichtige Funktion erfüllte die FDJ auch bei der Militarisierung der Gesellschaft. Sie war zusammen mit der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) unter anderem für die Förderung der Wehrbereitschaft der Jugendlichen zuständig.

  • Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB)

    Der FDGB war die größte Massenorganisation der DDR. In ihm waren 1989 knapp 98 Prozent der Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert.
    Politisch wurde er von der SED dominiert: Das SED-Politbüro bestimmte den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter direkt und instrumentalisierte den FDGB für die ideologischen und wirtschaftlichen Ziele der Partei und zur Sicherung ihres Machterhalts.

    Der FDGB versuchte zur Steigerung der Produktion beizutragen, indem er entsprechende Kampagnen und Aktivitäten zur Verbesserung der Arbeitszufriedenheit durchführte.

    Klassische Gewerkschaftsarbeit leisteten die Betriebsgewerkschaftsleitungen am ehesten durch die Mitwirkung bei Personalentscheidungen und Arbeitszeitregelungen sowie im Gesundheits- und Brandschutz. Daher wurden sie von den Beschäftigten zumindest teilweise als Interessenvertreter anerkannt.

    Viele Beschäftigte traten dem FDGB jedoch in erster Linie bei, um persönliche Nachteile zu vermeiden und bei der Verteilung sozialer Leistungen berücksichtigt zu werden. Der Gewerkschaftsbund fungierte als Verwalter der Sozialversicherungen, deren Leistungen häufig direkt im Betrieb ausgezahlt wurden. Vor allem aber vermittelte er jährlich etwa fünf Millionen Urlaubsreisen, vorwiegend in gewerkschaftseigene oder betriebliche Ferienheime der DDR. Weil es kaum Möglichkeiten zu individueller Urlaubsplanung gab, war dies von großer Bedeutung für viele Beschäftigte.

  • Freikauf

    Freikauf im Kontext der deutschen Teilung bezeichnet die Freilassung politischer DDR-Häftlinge aus dem Gefängnis gegen Waren, die die Bundesrepublik Deutschland an die DDR lieferte. Die meisten der freigekauften Häftlinge reisten nach ihrer Haftentlassung in die Bundesrepublik Deutschland aus. Aber auch Entlassungen in die DDR waren nicht selten, vor allem in den ersten Jahren nach Beginn des Freikaufs 1963.

    Insgesamt kaufte die Bundesrepublik Deutschland zwischen 1963 und 1989 rund 33.000 politische Gefangene frei und zahlte für über 200.000 Ausreisegenehmigungen. Für jeden Häftling erhielt die DDR umgerechnet zwischen 40.000 und 96.000 D-Mark, in manchen Fällen auch mehr. Insgesamt belief sich der Wert der Gegenleistungen der Bundesrepublik für Freikauf und Ausreisen auf über 3,4 Milliarden D-Mark.

    Mit der steigenden Anzahl freigekaufter Häftlinge sprach sich diese Praxis unter den DDR-Bürgern herum. Für viele Fluchtwillige entwickelte sich der Freikauf zu einer Perspektive, um im Falle einer Verhaftung doch noch nach Westen zu gelangen. Jedoch erfüllte sich diese Hoffnung längst nicht für alle politischen Häftlinge, die die DDR verlassen wollten. Als verlässliche Einnahmequelle trug der Freikauf dazu bei, die Zahlungsfähigkeit der DDR-Wirtschaft abzusichern.

    Wer für den Freikauf vorgesehen war, verbrachte die letzten Tage der Haft in der Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit auf dem Kaßberg in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), wo sie vor der Ausreise in den Westen „aufgepäppelt“ werden sollten. Nach der Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft gelangten die freigekauften Häftlinge mit Bussen eines Gießener Busunternehmens in das dortige Notaufnahmelager.

    Die historische Bewertung des Freikaufs ist abhängig vom Standort des Betrachters: Für die Bundesrepublik waren humanitäre Motive ausschlaggebend, die DDR handelte aus wirtschaftlichen Gründen mit Menschen und aus Sicht der Häftlinge war der Freikauf meist die einzige Möglichkeit, wieder ein Leben in Freiheit führen zu können.

  • Gesellschaft für Sport und Technik (GST)

    Die 1952 nach sowjetischem Vorbild gegründete GST spielte eine zentrale Rolle bei der angestrebten Militarisierung der DDR-Jugend. Ihre Wehrlager waren ein fester Bestandteil der Berufsausbildung und der Lehrpläne an den Erweiterten Oberschulen. Jugendliche übten dabei militärischen Drill, den Umgang mit Waffen und Sanitätsdienst. Wer sich der Teilnahme an den paramilitärischen Lagern verweigerte, bekam weder einen Facharbeiterbrief noch ein Abiturzeugnis.

    Daneben bot die GST insbesondere Jugendlichen die Möglichkeit, in ihrer Freizeit diverse (Wehr-)Sportarten zu betreiben, die Fahrerlaubnis zu erlangen oder Segelfliegen zu lernen. Ein Hauptzweck der GST-Aktivitäten war es stets, junge Menschen zu einer beruflichen Laufbahn bei der Nationalen Volksarmee zu bewegen.

  • Grenzregime

    Ab 1952 baute die DDR-Grenzpolizei die innerdeutsche Demarkationslinie zu einer streng bewachten Grenze aus. Dazu gehörte auch die Einrichtung einer etwa fünf Kilometer breiten Sperrzone im Hinterland der Grenze.

    Ab 1961 erhielt das Grenzregime zunehmend militärischen Charakter. Aus der Grenzpolizei wurden die DDR-Grenztruppen, die dem Verteidigungsministerium unterstellt waren. Diese verlegten bis 1983 an der innerdeutschen Grenze mehr als eine Million Bodenminen. Bis 1985 war der Ausbau der Grenze mit Signalzäunen, Lichtsperren und Hundelaufanlagen soweit perfektioniert, dass die DDR – auch durch internationalen Druck – auf Minenfelder und die in den 1970er Jahren installierten Selbstschussanlagen verzichtete.

    Seit 1947 durften Grenzsoldaten entlang der Demarkationslinie von der Schusswaffe Gebrauch machen, wenn andere Möglichkeiten der Festnahme bei Übertretungen der Grenze ausgeschöpft waren. Ab 1961 wurden die Grenzsoldaten sogar zum Schusswaffengebrauch gegen Flüchtende verpflichtet. Todesschützen erhielten eine Prämie. Soldaten, die sich weigerten oder absichtlich daneben schossen, wurden zum Teil disziplinarisch belangt.

    Zwischen 1949 und 1989 endeten Hunderte Fluchtversuche an der innerdeutschen Grenze und der Berliner Mauer tödlich. Nach außen hin versuchten die Grenztruppen und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), entsprechende Todesfälle so weit wie möglich zu verschweigen oder im Sinne der DDR-Propaganda zu nutzen.

    Misslungene Fluchtversuche führten jedoch weitaus häufiger zu langjährigen Haftstrafen als zum Tod an der Grenze.

  • Grotewohl-Express

    „Grotewohl-Express“ war eine sarkastische Bezeichnung für den Gefangenentransportwagen der Deutschen Reichsbahn, angelehnt an den Namen des ersten Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl. Der Spezialwaggon enthielt 18 winzige, mangelhaft belüftete Zellen für jeweils vier Häftlinge und konnte an unterschiedliche Personenzüge angehängt werden. Im Rundverkehr zwischen den verschiedenen Bezirksstädten wurden Häftlinge innerhalb der DDR zwischen den Gefängnissen verlegt. Die Fahrten in den menschenunwürdigen Zugabteilen dauerten oft mehrere Tage und waren in der Regel mit Zwischenunterbringungen in anderen Haftanstalten verbunden.

  • Inoffizielle Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit

    Im Jahr 1989 hatte das Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) außer seinen etwa 91.000 offiziellen weitere 174.000 inoffizielle Mitarbeiter, die ihre Mitbürger, Arbeitskollegen, Freunde und sogar Familienangehörige bespitzelten.

    Neben der Verfolgung vermeintlicher oder tatsächlicher Systemgegner wurden die IM vor allem zur Überwachung der anderen Sicherheitsorgane und der Wirtschaft der DDR eingesetzt. Darüber hinaus waren praktisch in allen Bereichen des DDR-Alltags IM tätig, indem sie zur Überwachung, Kontrolle oder Beeinflussung von DDR-Bürgern herangezogen wurden.

    Das MfS setzte IM nicht nur zur direkten Bekämpfung oppositioneller Bestrebungen ein, sondern auch zur vorbeugenden Sicherung zentraler gesellschaftlicher Bereiche. Die Bezirksstadt Cottbus wies die höchste IM-Dichte in der DDR auf. Während in der Bezirksstadt Halle auf 124 Einwohner ein IM angesetzt war, lag das Verhältnis in Cottbus bei 1:80. Historiker begründen dies rückblickend mit der hohen wirtschaftlichen Bedeutung als Kohle- und Energiebezirk.

  • Kaßberg-Gefängnis

    Seit 1957 betrieb das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) im Stadtviertel Kaßberg in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, eine Untersuchungshaftanstalt. Aufgrund ihrer Größe und der günstigen Verkehrsanbindung nutzte das MfS die Anlage zur Abwicklung des Gefangenenfreikaufs. Damit war das Kaßberg-Gefängnis in aller Regel die letzte Station politischer Häftlinge auf ihrem Weg in den Westen und in die Freiheit.

  • Massenflucht über die Ostblockstaaten

    Im Sommer und Herbst 1989 war die Wirtschaft der DDR bereits stark geschwächt. Die Bürger der DDR forderten vom SED-Regime freie und geheime Wahlen, demokratische Reformen und Grundrechte wie Meinungs-, Reise-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Hundertausende gingen auf die Straßen und erhöhten mit ihren regelmäßigen Demonstrationen den Druck auf die Staats- und Parteiführung, zunächst in Leipzig und bald darauf in der gesamten DDR.

    Gleichzeitig entschieden sich immer mehr DDR-Bürger zu Ausreiseanträgen oder Fluchtversuchen über andere Ostblockstaaten, die ihre Grenzregimes zunehmend lockerten. Als erstes Land begann Ungarn am 02. Mai 1989 mit dem Abbau der technischen Schutzvorrichtungen an der Grenze zu Österreich, führte aber weiterhin strenge Kontrollen durch. Noch am 21. August 1989 wurde ein Flüchtling an der ungarisch-österreichischen Grenze erschossen. Erst in der Nacht vom 10. auf den 11. September 1989 öffnete die ungarische Führung die Grenze zu Österreich endgültig und ermöglichte dadurch die direkte Ausreise für DDR-Bürger über Ungarn.

    Wichtige Anlaufziele für Fluchtwillige waren im Jahr 1989 auch die bundesdeutschen Botschaften in Prag, Warschau und Budapest, die Tausenden DDR-Bürgern Zuflucht gewährten und sie bei der Ausreise unterstützten.

    Die Massenflucht und die Demonstrationen im Herbst 1989 verstärkten sich gegenseitig und trugen neben dem wirtschaftlichen Zusammenbruch entscheidend zum Niedergang der SED-Diktatur bei.

  • Ministerium für Staatssicherheit (MfS)

    Wer in der DDR von der Stasi sprach, meinte damit das 1950 gegründete Ministerium für Staatssicherheit. Über Jahrzehnte ließ die SED-Führung das MfS zu einem flächendeckenden Überwachungs-, Manipulations- und Unterdrückungsapparat ausbauen, der ihren totalen Herrschaftsanspruch gegenüber der eigenen Bevölkerung sichern sollte. Das MfS richtete seine Aktivitäten nicht nur gegen die Bürger der DDR, sondern auch gegen die Bundesrepublik Deutschland als Staat sowie gegen Menschen und Organisationen im Ausland, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte in der DDR einsetzten.

    Das MfS war politische Geheimpolizei, Ermittlungsbehörde bei politischen Straftaten und Nachrichtendienst in einem. Dadurch besaß es umfassende Aufgaben und Kompetenzen, die keiner Kontrolle unterlagen. Lediglich die SED-Führung war gegenüber dem MfS weisungsberechtigt. Das MfS verstand sich als „Schild und Schwert der Partei“ und definierte diese Rolle in stalinistischer Tradition sehr weitreichend. Seine Mitarbeiter verfolgten nicht nur tatsächlich begangene „Taten“, sondern versuchten als eine Art „Ideologiepolizei” auch vorbeugend zu handeln. So zielte das MfS in den 1970er und 1980er Jahren auf eine möglichst flächendeckende Überwachung aller potenziellen Gegner und versuchte, oppositionelle Aktionen schon im Vorfeld zu verhindern. Dazu öffnete das MfS die Briefe verdächtiger Personen, hörte ihre Telefonate ab und ließ sie durch zahlreiche hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter umfassend bespitzeln.

    Auf diese Weise überwachten die Mitarbeiter des MfS das Leben und Verhalten der Menschen vom Beruf bis zur Intimsphäre. Dazu setzten sie alle zur Verfügung stehenden Mittel ein und wurden teils durch andere Institutionen wie Schulen, Betriebe und Gewerkschaften unterstützt. Gleichzeitig entwickelten sie Maßnahmenpläne, welche die „Zersetzung“ bestimmter Personen zum Ziel hatten.

    Unter „Zersetzung“ verstand das MfS die „Zersplitterung, Lähmung, Desorganisierung und Isolierung feindlich-negativer Kräfte“. Der Betroffene sollte am Arbeitsplatz und in seinen persönlichen Beziehungen isoliert und diskreditiert werden, ohne das planvolle Handeln dahinter zu durchschauen. Das MfS stützte sich dabei auf Erkenntnisse der „operativen Psychologie“. Beispielsweise lösten inoffizielle Mitarbeiter gezielt interne Streitigkeiten in oppositionellen Gruppen aus, um sie von politischen Aktivitäten abzulenken.

    Im Zuge des Zusammenbruchs der SED-Diktatur 1989/90 wurde das MfS am 18. November 1989 in Amt für Nationale Sicherheit umbenannt, schrittweise entmachtet und schließlich am 31. März 1990 aufgelöst. Seit 1992 dürfen Betroffene die Akten einsehen, die das MfS über sie angelegt hatte. Viele Menschen erfuhren erst bei ihrer Akteneinsicht vom Ausmaß der Überwachung, zum Teil durch Freunde oder engste Angehörige.

  • Neuanfang im Westen

    Die Erinnerung an den Moment des endgültigen Passierens der innerdeutschen Grenze ist für die meisten ehemaligen DDR-Bürger mit großen Emotionen verbunden – egal ob es sich um eine Ausreise nach einem genehmigten Antrag, eine gefährliche Flucht oder einen Freikauf aus der politischen Haft handelte. Viele hatten Jahre der Angepasstheit und Unterdrückung hinter sich, nicht selten auch der Angst vor realer oder befürchteter Verfolgung durch die DDR-Sicherheitsorgane.

    Für geflüchtete, freigekaufte und übergesiedelte Bürger aus der DDR galt es schon bald nach ihrer Ankunft in der Bundesrepublik neue Herausforderungen zu meistern. Sie mussten sich in einem fremden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen System zurechtfinden, eine bezahlbare Wohnung und Arbeitsstelle finden, diverse Behördengänge erledigen und sich um die Anerkennung von Studien- und Berufsabschlüssen kümmern – oft ohne Erfolg. Auch materiell standen die meisten von ihnen zunächst mit leeren Händen da, denn bei ihrer Ausreise konnten sie kaum persönlichen Besitz und nicht einmal Unterlagen oder Erinnerungsstücke mitnehmen.

    Für Eltern war die Situation besonders belastend, da sie nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Kinder ein neues Leben aufbauen mussten – zunächst ohne Freunde und in einem anderen Schulsystem. Wer Familienangehörige zurückgelassen hatte oder bei der Inhaftierung von ihnen getrennt worden war, lebte bis zu einer Familienzusammenführung oder sogar dauerhaft in quälender Ungewissheit über die Verwandten jenseits der Grenze.

    Für die meisten Geflüchteten führte der Weg zunächst in ein staatliches Notaufnahmelager wie in Berlin-Marienfelde oder im hessischen Gießen. Wer Glück hatte, fand schon bald bei Verwandten oder Freunden Zuflucht. Doch auch dies konnte zu Konflikten führen: Nach Jahren oder Jahrzehnten ohne engen persönlichen Kontakt lebten sie plötzlich auf knappen Raum und mussten mit komplett unterschiedlichen Erfahrungen und Vorstellungen vom Leben zurechtkommen.

    Die Integration der Übersiedler und Flüchtlinge erwies sich für die Ankommenden, aber auch für die aufnehmende Gesellschaft als Belastungsprobe. Die Neuankömmlinge aus der DDR waren nach dem Grundgesetz deutsche Staatsbürger und damit den Bundesbürgern gleichgestellt. Dies betraf auch Ansprüche auf Sozialversicherungsleistungen wie Renten, Kranken- oder Arbeitslosengeld, welche allerdings ohne jegliche Unterlagen schwer zu ermitteln waren. Wohlfahrtsverbände und Hilfsorganisationen unterstützten die Übersiedler bei der Eingliederung.

    Viele ehemalige DDR-Bürger berichten jedoch auch, dass sie aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Dialekts, teils auch wegen ihrer politischen Haft, Skepsis, Misstrauen und offene Ablehnung erlebten. Andere redeten aus Angst vor Unverständnis, Diskriminierung und beruflicher Nachteile lange Zeit nicht über ihre DDR-Vergangenheit oder über ihre vergangene Inhaftierung. Für die politische Inhaftierung sind sie rehabilitiert, traumatisierende Erinnerungen an Repression, Flucht und Inhaftierung sind jedoch vielfach unaufgearbeitet und verfolgen die Menschen bis ins hohe Alter.

  • NEUES DEUTSCHLAND

    Von 1946 bis 1989 war das NEUE DEUTSCHLAND die Parteizeitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und das Zentralorgan der Parteipropaganda. Heute erscheint das Blatt als überregionale Tageszeitung.

  • Operativer Vorgang (OV)

    Bestand beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gegen einen DDR-Bürger der Verdacht staatsfeindlicher Bestrebungen, Fluchtabsichten oder anderer politischer Straftaten, wurde ein OV eröffnet und eine Akte zu der betreffenden Person angelegt. OV richteten sich vor allem gegen mutmaßliche Staatsfeinde, aber auch gegen einflussreiche Funktionäre in Wirtschaft, Parteien, Wissenschaft und Kirche. Das MfS trug im Rahmen der OV umfassende Informationen zur ausgespähten Person und deren sozialem Umfeld zusammen, um Material für weitere Repressivmaßnahmen in der Hand zu haben. Dem OV ging oft eine Operative Personenkontrolle (OPK) voraus, in deren Rahmen Verdachtsmomente überprüft und bestätigt oder fallengelassen wurden.

  • Pass- und Meldebescheinigung PM 12

    Haftentlassene, Ausreisewillige, „sozial Auffällige” und politische Gegner durften in der DDR keinen Personalausweis besitzen, sondern nur ein Ersatzdokument mit der Bezeichnung PM 12. Wer statt regulärer Ausweispapiere nur den PM 12 vorweisen konnte, musste mit zahlreichen Schikanen leben. Dazu gehörten Aufenthaltsbeschränkungen und die Pflicht zur regelmäßigen Meldung bei der Polizei. Auch Auslandsreisen waren nicht mehr möglich.

  • Politische Haft

    Offiziell gab es in der DDR keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich kriminelle Straftäter. Jedoch enthielt das Strafgesetzbuch der DDR (StGB) Paragrafen, die politische Gegner und Ausreisewillige kriminalisierten. Auch der interne Schriftverkehr des Strafvollzugs erfasste sogenannte Staatsverbrecher gesondert, die zum Beispiel wegen „staatsfeindlicher Hetze“ oder „landesverräterischer Nachrichtenübermittlung” inhaftiert waren. Zu einem solchen Urteil konnten bereits kritische Kommentare zur DDR in privaten Briefen führen.

    Ausreisewillige verfolgte der Staat insbesondere mit den §§ 213 StGB („ungesetzlicher Grenzübertritt”) und 214 („Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit”). Auch die Vorbereitung einer Flucht war strafbar, wozu bereits die Äußerung von Fluchtgedanken im Freundes- und Familienkreis zählen konnte. Sogar die Kenntnis von Fluchtabsichten einer anderen Person war strafbar, wenn dies den Behörden nicht angezeigt wurde. Verloren Ausreisewillige auf Grund ihres Ausreiseantrages die Arbeit, konnten sie wegen des § 249 StGB („asoziales Verhalten”) verhaftet werden. Danach galten als asozial DDR-Bürger, die „arbeitsscheu“ waren, oder sich der Arbeit entzogen und mit ihrem asozialen Verhalten nicht der sozialistischen Lebensweise entsprachen.

    Das MfS brachte politische Häftlinge vor ihrer Gerichtsverhandlung zumeist in eine der 17 eigenen Untersuchungshaftanstalten und verhörte sie dort oft monatelang. In den 1950er Jahren wandten die MfS-Mitarbeiter häufig physische Gewalt an, um die Inhaftierten zu Geständnissen zu bewegen. Ab den 1960er Jahren nutzten sie stattdessen vermehrt psychische Gewalt. Diese hinterließ keine körperlichen Spuren. Schlafentzug, Isolation, Fehlinformationen und Androhungen von Sanktionen gegen den Häftling und seine Familie schädigten und traumatisierten die Betroffenen jedoch in vielen Fällen nachhaltig.

    Nach ihrer Verurteilung verbüßten die „Politischen“ ihre Freiheitsstrafe zusammen mit kriminellen Straftätern im regulären Strafvollzug. Dort sollten die Häftlinge offiziell zu angepassten Mitgliedern der sozialistischen Gesellschaft „erzogen“ werden. Faktisch zielte der Strafvollzug durch militärischen Drill und unverhältnismäßige Strafen darauf ab, die „Politischen“ als gebrochene Personen aus der Haft zu entlassen. Überfüllte Zellen, schlechte Ernährung und Bekleidung, hohe und unverhältnismäßige Disziplinarmaßnahmen sowie mangelhafte Hygiene und Gesundheitsversorgung hatten bei vielen Häftlingen bleibende physische und psychische Schäden zur Folge. Die erzwungene Haftarbeit im Schichtbetrieb unter schlechten Bedingungen war eine zusätzliche Belastung. Die Pflicht, als fachfremder Arbeiter eine sehr hohe Norm zu erfüllen, mangelnder Arbeitsschutz und veraltete Produktionsanlagen führten häufig zu Verletzungen. Es gab mehrere Fälle, in denen Gefangene die Arbeit sabotierten oder durch besondere Aktionen gegen den Arbeitszwang protestierten.

  • Politische Indoktrination

    Für die DDR-Bevölkerung gehörte politische Beeinflussung zum Alltag. Die Staats- und Parteiführung strebte an, in Zusammenarbeit mit pädagogischen Einrichtungen und Massenorganisationen jeden einzelnen Menschen ideologisch zu prägen. Ihr Ziel war es, „sozialistische Persönlichkeiten“ zu schaffen, die die eigenen Bedürfnisse gegenüber der Gesellschaft zurückzustellen hatten. Niemand in der DDR konnte sich der politischen Propaganda dauerhaft entziehen, ohne mit Benachteiligungen rechnen zu müssen.

    Die Indoktrination begann oft schon im frühesten Kindesalter. In staatlichen Kindergärten lernten Kinder, „böse Kapitalisten“ würden die Arbeiter in der Bundesrepublik ausbeuten, wohingegen das Wirtschaftssystem der DDR das Wohl der gesamten Bevölkerung im Blick habe.

    Solche ideologische Manipulation fand auch in der Schule, während der Berufsausbildung und später in den Arbeitskollektiven statt. Jugendliche sollten in der 1978 als Pflichtfach eingeführten „sozialistischen Wehrerziehung“ Hass auf den „Klassenfeind“ im Westen entwickeln und sich über die Wehrpflicht hinaus für einen längeren Dienst in der Nationalen Volksarmee (NVA) bereit erklären.

    Mit Losungen wie „Mein Arbeitsplatz – Mein Kampfplatz für den Frieden!“ oder „Bürger der DDR! Mit neuen Ideen und Taten für die Stärkung unseres sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates!“ zu Parteitagen, vor Demonstrationen, in Zeitungen oder an Gebäuden und Brücken versuchte sie den Sieg des Sozialismus und die Überlegenheit sozialistischer Politik hervorzuheben.

    Dabei regierte in der SED-Propaganda der Superlativ. Jeder wirtschaftliche Erfolg war der Gewaltigste, jedes abgelaufene Jahr DDR-Geschichte galt als „historisch“ und als eines der bisher Erfolgreichsten. Die ständigen Erfolgsmeldungen standen im scharfen Kontrast zu der von immer mehr Menschen als bedrückend empfundenen gesellschaftlichen Realität. Den Propaganda-Superlativen schenkte demzufolge ein stetig kleiner werdender Teil der Bevölkerung Glauben.

  • „Prager Frühling“ 1968

    Im Frühjahr 1968 war der Blick vieler DDR-Bürger auf die politische Entwicklung in den beiden sozialistischen Nachbarstaaten gerichtet. Die polnische Führung ließ studentische Proteste gegen die kommunistische Diktatur brutal niederschlagen und zahlreiche Systemkritiker verhaften. In der Tschechoslowakei kam es indessen nach einem Führungswechsel in der Kommunistischen Partei (KPČ) innerhalb weniger Monate zu einer weitreichenden Liberalisierung. Dazu zählten Meinungs- und Informationsfreiheit, Wirtschaftsreformen und eine Aufarbeitung der Verbrechen des Stalinismus. Am gesellschaftlichen Aufbruch, der vom Traum eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ getragen wurde, beteiligte sich eine große Mehrheit der Tschechen und Slowaken.

    Obwohl DDR-Zeitungen Lügen über angeblich vom Westen gesteuerte „konterrevolutionäre Entwicklungen“ in Prag verbreiteten, verfolgten viele Menschen in der DDR die Ereignisse mit Sympathie und erhofften sich ähnliche Reformen im eigenen Land.

    Am 21./22. August 1968 marschierten die von der Sowjetunion geführten Truppen des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei ein und beendeten den sogenannten Prager Frühling gewaltsam. Die Niederschlagung löste in der ganzen DDR Proteste aus, nicht zuletzt aufgrund der Vermutung, auch Einheiten der Nationalen Volksarmee hätten die Grenze zur Tschechoslowakei überschritten. Die Vorstellung, deutsche Soldaten würden wenige Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Gewalt gegen den „Bruderstaat” anwenden, erschien vielen jungen Menschen in der DDR unerträglich.

    Etwa 1.000 Kritiker der Niederschlagung wurden in der DDR inhaftiert, weil sie Flugblätter in Umlauf gebracht oder Sympathiekundgebungen für die Reformer an Häuserwände gemalt hatten. Der Protest in der DDR wurde mehrheitlich von Arbeitern und Angestellten getragen. Unter den Verhafteten befanden sich nur wenige Studenten und Intellektuelle. Anfang 1969 waren noch 447 Personen wegen derartiger Aktivitäten in Haft.

  • Recht auf Freizügigkeit (in der DDR)

    Die erste DDR-Verfassung vom 07. Oktober 1949 beinhaltete einen umfangreichen Grundrechtskatalog. Schon die Präambel benannte die Freiheit und die Rechte der Menschen als oberste Werte. Artikel 8 gewährleistete das „Recht, sich an einem beliebigen Ort niederzulassen“. Die zweite DDR-Verfassung aus dem Jahr 1968 schränkte diese Freizügigkeit auf das Innere des Staatsgebietes der DDR ein (Art. 32) und ließ das Recht auf Auswanderung fallen. Nachdem die DDR-Führung am 13. August 1961 durch den Mauerbau Tatsachen zur Verhinderung des freien Grenzübertritts geschafft hatte, folgte einige Jahre später die verfassungsrechtliche Grundlage für die Abriegelung der Grenze.

    Schon ab dem 15. September 1954 stand die sogenannte Republikflucht nach § 8 des Passgesetzes der DDR unter Strafe. Wer das Gebiet der DDR fortan ohne Genehmigung verließ, dies vorbereitete oder versuchte, machte sich strafbar. Nach Einführung des Strafgesetzbuches der DDR am 12. Januar 1968 wurde dieses allgemeine Ausreiseverbot neu gefasst: Gemäß § 213 Absatz 1 StGB-DDR war der „ungesetzliche Grenzübertritt“ mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, mit einer Bewährungs- oder Geldstrafe bestraft. Der Straftatbestand war in der geänderten Fassung von 1979 schließlich so formuliert, dass er das „Passieren der Staatsgrenze“ unabhängig von der Passierrichtung unter Strafe stellte.

    Die SED-Führung erließ zahllose Rechtsvorschriften, um die massenhafte Auswanderung der DDR-Bevölkerung zu verhindern. Die tatsächlich geltenden Regeln zum restriktiven Umgang mit Emigrationsbestrebungen waren geheim. Passgesetze, das Staatsbürgerschaftsgesetz oder die Reiseverordnung enthielten keine klaren Aussagen zur Ausreise, so dass Behörden in der täglichen Praxis komplexe Verfahren erfinden konnten, um die Ausreise zu verhindern oder zumindest zu erschweren.

  • Recht auf Freizügigkeit (international)

    „Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.“ So formuliert Artikel 13 Absatz 2 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (AEMR) der Vereinten Nationen (UNO) das Recht auf Freizügigkeit. Mit überwältigender Mehrheit stimmten 48 von 56 UNO-Staaten am 10. Dezember 1948 in Paris für die AEMR und machten damit erstmals auch die Freizügigkeit zum niedergeschriebenen Menschenrecht. Sie handelten vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Diktatur, die weltweit Millionen Menschen zur Flucht getrieben hatten. Die AEMR ist kein verbindliches, einklagbares Völkerrecht, sondern ein unverbindliches Bekenntnis, das die mittlerweile 193 Mitgliedstaaten der UNO leisten. Die DDR trat den Vereinten Nationen im Jahr 1973 bei und erkannte damit die AEMR offiziell an.

    Gleichzeitig beteiligte sich die DDR an der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die im Jahr 1973 in der finnischen Hauptstadt Helsinki eröffnet wurde und 1975 mit der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki endete. Die unterzeichnenden Staaten verpflichteten sich in dieser Absichtserklärung zur Unverletzlichkeit der Grenzen, zur friedlichen Regelung von Streitfällen, zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten sowie zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Unterzeichner waren auch die Bundesrepublik Deutschland und die DDR. Die KSZE diente in mehreren Konferenzen während des Ost-West-Konflikts bis 1995 als Forum für Konsultationen sowie der politischen Annäherung und Vertrauensbildung. Eine Folge des KSZE-Prozesses war, dass Tausende DDR-Bürger sich auf das in der Schlussakte verankerte Recht auf Freizügigkeit beriefen und Anträge zur dauerhaften Ausreise in die Bundesrepublik stellten.

  • Reisemöglichkeiten für DDR-Bürger

    Auch bei der Planung ihrer Freizeit und den Ferien waren DDR-Bürger umfassender staatlicher Kontrolle unterworfen. Wer verreisen wollte, konnte betriebseigene Ferienheime nutzen, den Feriendienst des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) oder das Staatliche Reisebüro der DDR in Anspruch nehmen, das eng mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammenarbeitete. Campingreisen auf eigene Faust galten noch in den 1960er Jahren als „schädlicher Individualismus”. Später ging die DDR dazu über, auch diese Urlaubsform zu fördern und mit Hilfe staatlich verwalteter Zeltplätze zu kanalisieren. Für Kinder und Jugendliche organisierten volkseigene Betriebe und die FDJ Ferienlager, die neben der Erholung auch der politisch-ideologischen Erziehung dienen sollten.

    Besonders beliebt bei den Bürgern waren Badeurlaube an der Ostsee sowie Wanderausflüge im Harz, dem Erzgebirge und der Sächsischen Schweiz. Urlaub im Ausland war nur mit Genehmigung gestattet und betraf in erster Linie sozialistische Länder wie Ungarn, Bulgarien oder Rumänien, die von der DDR als „Bruderstaaten” angesehen wurden. Nur Fahrten nach Polen (bis 1980) und in die Tschechoslowakei waren genehmigungsfrei erlaubt. Reisen in die Bundesrepublik und andere Länder im „kapitalistischen Ausland“ waren in der Regel nicht möglich.

    Einige DDR-Bürger hofften, auf ihrer Reise durch das sozialistische Ausland eine Möglichkeit zur Flucht in den Westen zu finden. In der Praxis endeten jedoch die meisten dieser Fluchtversuche mit Gefängnisstrafen und nicht wenige sogar tödlich. Immer mehr Ausreisewillige steuerten daher im Sommer und Herbst 1989 die bundesdeutschen Botschaften in den Nachbarländern an, um dort Unterstützung bei der Ausreise in die Bundesrepublik zu suchen und die Gefahren einer direkten Grenzquerung zu vermeiden.

  • Schließung der innerdeutschen Grenze und Bau der Berliner Mauer

    Nach dem Zweiten Weltkrieg passierten zunächst noch Millionen Menschen die Grenze zwischen der sowjetischen und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands. Ab dem Sommer 1946 bedurfte es dazu sogenannter Interzonenpässe, welche die zuständige sowjetische Militäradministration nur selten ausstellte. Diese „grüne Grenze“ wurde jedoch vorerst kaum bewacht. Schmuggel und illegaler Grenzverkehr gehörten zum Alltag. Auch über Berlin konnte man die Westzonen noch erreichen.

    Ein Jahr nach der Gründung der beiden deutschen Staaten richtete die DDR im Jahr 1950 erste offizielle Kontrollpunkte ein. Wegen verstärkter innerdeutscher Spannungen erhielten die DDR-Behörden im Frühjahr 1952 von der sowjetischen Besatzungsmacht genaue Anweisungen zum Ausbau und zur strengeren Überwachung der innerdeutschen Grenze. Reiseverkehr zwischen DDR und Bundesrepublik war fast nur noch über Berlin möglich, wo die Sektorengrenzen zwischen dem Ost- und dem Westteil der Stadt zunächst offen blieben. Allerdings versuchte die DDR-Führung in der Folgezeit die Kontakte zwischen den Bewohnern der beiden Stadthälften weiter einzuschränken. Republikflucht galt in der DDR ab Ende 1954 als Straftat.

    Doch durch Strafandrohung ließen sich Hunderttausende mehrheitlich junge Menschen nicht von der Flucht über Berlin abhalten. Die Fluchtbewegung wurde für die DDR zunehmend zum Problem. Die SED drängte im Sommer 1961 die Sowjetunion, ihre völkerrechtliche Mitverantwortung für Berlin zu nutzen und konkrete Maßnahmen zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms nach West-Berlin zu ergreifen. Schließlich überzeugte die Führung der DDR die Sowjetunion, einer Abriegelung der westlichen Sektoren Berlins zuzustimmen, um ein „Ausbluten” der DDR zu verhindern.

    In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 errichteten Bauarbeiter unter polizeilichem und militärischem Schutz in Berlin zunächst provisorische Sperranlagen aus Stacheldraht, die nach und nach durch eine feste Mauer ersetzt wurden. Bis Mitte September gelang noch mehr als 600 Menschen mit zum Teil waghalsigen Aktionen die Flucht nach West-Berlin. Unter ihnen waren ganze Familien, aber auch einige Grenzposten. Der eigenen Bevölkerung gegenüber rechtfertigte die SED-Führung den Bau der Mauer als eine Verteidigungsmaßnahme gegen den äußeren Feind und bezeichnete sie als „antifaschistischen Schutzwall”. Auch die innerdeutsche Grenze wurde am 13. August 1961 endgültig geschlossen und in der Folgezeit immer stärker militärisch ausgebaut.

  • Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)

    Im April 1946 beugte sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SPD) im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands dem Druck der sowjetischen Besatzungsmacht und stimmte einem Zusammenschluss mit der Kommunistischen Partei (KPD) zu einer neuen „Einheitspartei“ zu. Viele Sozialdemokraten befürworteten zwar prinzipiell die „Einheit der Arbeiterklasse“, fürchteten aber mit Recht die absehbare Dominanz kommunistischer Funktionäre in einer gemeinsamen Partei. Deshalb ging die sowjetische Besatzungsmacht mit massiver Gewalt gegen sozialdemokratische Kritiker der Vereinigung vor und erzwang so die Gründung der SED.

    Nach sowjetischer Vorgabe wurde die SED die allein bestimmende Kraft im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben der 1949 gegründeten DDR. Dieser Führungsanspruch war ab 1968 in der Verfassung festgeschrieben. Die Partei verstand sich als „Vorhut der Arbeiterklasse“. Sie sah sich im Besitz der unumstößlichen Wahrheit über die Geschichte und Entwicklung der Menschheit auf Basis einer wissenschaftlich begründeten Weltanschauung – des Marxismus-Leninismus.

    Um den Anschein eines pluralistischen Systems zu erwecken, ließ die SED-Führung vier weitere Parteien zu, deren Abgeordnetenanzahl in den gewählten Parlamenten feststand. Alle politischen Parteien und gesellschaftlichen Organisationen mussten sich allerdings dem Führungsanspruch der SED unterwerfen. Auch innerparteiliche Kritik war in der hierarchisch gegliederten Partei nahezu unmöglich. Die staatliche Verwaltung hatte alle Parteibeschlüsse ohne Veränderungsmöglichkeit umzusetzen. „Die Partei hat immer recht“ hieß es nicht nur im Refrain eines verbreiteten Propagandaliedes. Damit war jegliche Gewaltenteilung im politischen System der DDR ausgeschlossen. Auch Vereinigungs- und Meinungsfreiheit waren mit der faktischen Ein-Parteien-Diktatur unvereinbar.

    Wer in der DDR beruflich aufsteigen wollte, musste in der Regel früher oder später Mitglied der SED werden. Gremien der Partei bestimmten die Besetzung aller Führungspositionen in Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und sogar in den anderen Parteien. Als Führungsgremium der Partei war das Politbüro das eigentliche Machtzentrum im Staat. Auch der Ministerrat, die offizielle Regierung der DDR, hatte die Entscheidungen und Weisungen des Politbüros umzusetzen.

    Als Generalsekretär hatte Walter Ulbricht von 1950 bis 1971 die entscheidende Machtposition in der SED und im Staat inne, bevor er von Erich Honecker abgelöst wurde. Dieser bekleidete das Amt bis zum Revolutionsherbst 1989.

    Im Zuge der Friedlichen Revolution wurde die SED nicht aufgelöst oder verboten. Nach inhaltlichen und strukturellen Reformen sowie mehreren Umbenennungen ist sie im Jahr 2007 in der heutigen Partei Die Linke aufgegangen.

  • Strafvollzugseinrichtung Cottbus (StVE)

    Die Cottbuser Haftanstalt wurde in den Jahren 1855 bis 1859 unter der Führung der preußischen Justizverwaltung errichtet. Die offizielle Eröffnung des Königlichen Centralgefängnisses Cottbus erfolgte am 01. April 1860.

    In den 1930er Jahren diente das Areal als Haftanstalt für Jugendliche, Männer und Frauen. In der Zeit von 1939 bis 1945 war es ausschließlich ein Frauenzuchthaus. Viele Insassinnen waren wegen ihres Widerstandes gegen den Nationalsozialismus in Cottbus inhaftiert, darunter sogenannte Nacht-und-Nebel-Gefangene, Zeugen Jehovas und sogar Frauen der Weißen Rose Hamburg. Zwischen Februar und April 1945 zerstörten Bombenangriffe zahlreiche Gebäude der Haftanstalt.

    In der Nachkriegszeit wurde das Gefängnis ab 1954 als Männergefängnis genutzt. Hier waren bis 1989 Tausende aus politischen Gründen Verurteilte inhaftiert, ein Großteil davon wegen versuchter Republikflucht. Viele von ihnen kaufte die Bundesrepublik Deutschland frei und stärkte damit durch die Devisen die marode Wirtschaft der DDR. Wegen der rötlichen Ziegelsteine und der inhumanen Haft- und Arbeitsbedingungen wurde das Gefängnis von Häftlingen als „Rote Hölle 2“ bezeichnet.

    Nach der Wiedervereinigung nutzte das Land Brandenburg das Gefängnisgeände bis 2002 als Justizvollzugsanstalt weiter. 2011 kaufte der Verein Menschenrechtszentrum Cottbus das inzwischen leerstehende Gelände und richtete am ehemaligen Haftort eine Gedenk-, Forschungs- und Bildungsstätte ein, damit die Verbrechen der nationalsozialistischen Terrorherrschaft und der SED-Diktatur nicht in Vergessenheit geraten.

  • Todesfälle an der innerdeutschen Grenze und der Berliner Mauer – Aufarbeitung

    Fluchtversuche aus der DDR kosteten zwischen 1949 und 1989 immer wieder Menschen das Leben – durch gezielte Schüsse der Grenzsoldaten, Selbstschussanlagen und Minen, durch Ertrinken in der Ostsee oder Ersticken im Kofferraum. Westliche Menschenrechtsorganisationen und Staatsanwaltschaften begannen schon vor 1989, Statistiken über die Todesopfer an den DDR-Grenzen zu erstellen. In den letzten Jahren führten Historiker umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu Todesfällen an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze durch. Hunderte tödlich endende Fluchtversuche konnten zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die Todesfälle in der Ostsee werden weiter erforscht, genau wie die Umstände, unter denen DDR-Flüchtlinge an den Grenzen der sozialistischen „Bruderstaaten“ ums Leben kamen.

    Nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes leiteten die DDR-Behörden im Sommer 1990 Ermittlungen gegen den langjährigen SED-Generalsekretär und Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und gegen weitere Verantwortliche ein, um sie für die Todesfälle an der innerdeutschen Grenze und der Berliner Mauer zur Rechenschaft zu ziehen.

    Die Verfahren gegen die Verantwortlichen wurden später von der bundesdeutschen Justiz fortgeführt. Mitglieder der Partei- und Staatsführung der DDR sowie hohe Offiziere der Grenztruppen erhielten wegen Totschlags oder der Beihilfe dazu mehrjährige Haftstrafen – selbst, wenn sie nicht persönlich zur Waffe gegriffen hatten. Sie wurden für schuldig befunden, den Schießbefehl beziehungsweise dessen Ausführungsbestimmungen gegen unbewaffnete Flüchtlinge erlassen oder die Einrichtung von Minenfeldern angeordnet zu haben.

    Verfahren gegen befehlsausführende Grenzsoldaten führten in der Regel zu Bewährungsstrafen, wenn die Angeklagten sich nicht des Mordes schuldig gemacht hatten (zum Beispiel durch Tötung bereits gestellter Flüchtlinge).

    Im März 2001 wies der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Beschwerden des letzten SED-Generalsekretärs und Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz und anderer Verantwortlicher gegen Urteile bundesdeutscher Gerichte zurück. Die Schuldsprüche wegen Totschlages verstießen nicht gegen das Verbot rückwirkender Strafgesetze, das seit 1950 in der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegt ist.

  • Unangepasstheit und staatliche Reaktion

    In den 1970er Jahren entstanden in der DDR Subkulturen wie beispielsweise die Rocker-, Punk- oder Skater-Szenen, die oft westlichen Vorbildern folgten. Auffällige Kleidung, die Orientierung an westlichen Trends und der unangepasste Lebensstil formten Gegenbilder zur offiziell gewünschten „sozialistischen Persönlichkeit“. Solche subkulturellen Gruppen waren eine Provokation für die SED, aber auch für die kleinbürgerlich geprägte DDR-Gesellschaft.

    Wer nicht in den Jugendverband Freie Deutsche Jugend (FDJ), die paramilitärische Gesellschaft für Sport und Technik (GST) oder die Einheitsgewerkschaft Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) eintreten wollte, galt ebenfalls als Abweichler und Provokateur.

    Entschied sich jemand für eine individuelle Lebensweise, gehörten für ihn oft schulische beziehungsweise berufliche Diskriminierung, ständige Personenkontrollen, grundlose Inhaftierungen und Überwachung durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zum Alltag. Das MfS überwachte und bekämpfte auch Gruppen wie die Junge Gemeinde, die sich als politisch-alternativ verstanden und vorwiegend unter dem Dach der evangelischen Kirche agierten.

  • Volksaufstand in Ungarn 1956

    Im Sommer 1956 war Ungarn als kommunistische Diktatur fest in den sowjetischen Machtbereich eingebunden. Doch angesichts der beginnenden Entstalinisierung in der Sowjetunion erhofften sich die Menschen in mehreren osteuropäischen Staaten eine Liberalisierung. Besonders ausgeprägt waren Freiheits- und Unabhängigkeitsbestrebungen in Polen und Ungarn.

    In Budapest initiierten Studenten am 23. Oktober 1956 eine Großdemonstration. Die Teilnehmer forderten demokratische Rechte wie freie Wahlen, Meinungs- und Pressefreiheit sowie den Abzug der sowjetischen Truppen aus Ungarn.

    Am Rundfunkgebäude fielen Schüsse auf Demonstranten. Daraufhin forderten Kämpfe zwischen Aufständischen und Einheiten des ungarischen Geheimdienstes erste Todesopfer. Bereits in der Nacht griffen sowjetische Truppen in die Auseinandersetzungen ein und besetzten zentrale Punkte in der Hauptstadt.

    Obwohl mit der Berufung des Reformkommunisten Imre Nagy zum Ministerpräsidenten eine zentrale Forderung der Demonstranten erfüllt worden war, weitete sich der Aufstand an den Folgetagen aus. Auch die sowjetischen Einheiten konnten die Erhebung zunächst nicht niederschlagen und zogen sich schrittweise aus Budapest zurück. Nagy bildete die Regierung nochmals um, versprach politische Reformen und die Rückkehr zum Mehrparteiensystem. Am 01. November verließ Ungarn das sowjetisch geführte Militärbündnis Warschauer Pakt und erklärte seine Neutralität.

    Drei Tage später griffen erheblich verstärkte sowjetische Truppen erneut Budapest und andere ungarische Städte an. Während sich die ungarische Armee von den Sowjets entwaffnen ließ, leisteten etwa 10.000 Aufständische erbitterten Widerstand gegen die Invasoren. Die Kämpfe dauerten bis zum 15. November. Insgesamt starben seit dem 23. Oktober etwa 3.000 Aufständische und mehr als 700 sowjetische Soldaten.

    Nach der Niederschlagung des Aufstands wurden mindestens 12.000 Menschen als „Konterrevolutionäre“ zu Haftstrafen verurteilt, mehrere Hundert wurden hingerichtet – darunter auch Imre Nagy. 200.000 Ungarn flohen in westliche Länder.

    Viele Ungarn hatten den Freiheitskampf in der naiven Hoffnung auf ein westliches Eingreifen geführt, die nicht zuletzt vom US-Sender Radio Freies Europa genährt wurde. Doch auf militärische Hilfe aus dem Westen warteten die Aufständischen vergebens. Die USA wollten keine militärische Eskalation zwischen den Großmächten riskieren.

    Auch einige DDR-Bürger bekundeten ihre Unterstützung für den ungarischen Volksaufstand mit unterschiedlichen Aktionen. Aus Angst vor einem Übergreifen der Proteste auf die DDR gingen die SED-Führung und das Ministerium für Staatsicherheit mit Repressionen gegen Sympathisanten des ungarischen Volksaufstandes vor.

  • Westmedien in der DDR

    Viele Menschen in der DDR bemühten sich um Zugang zu westlichen Medien, die sie als glaubwürdiger und vielfältiger empfanden. Zeitschriften und Zeitungen aus der Bundesrepublik und anderen westlichen Demokratien waren allerdings für die meisten Bürger unerreichbar, denn sie galten der DDR-Propaganda als „Schund und Schmutz“ und waren nirgends erhältlich. Zumindest einzelne bundesdeutsche Radiosender konnten dagegen überall in der DDR empfangen werden. Die Reichweite des „Westfernsehens“ war deutlich begrenzter, so dass nur ein Teil der Bevölkerung Westnachrichten und andere Sendungen sehen konnte. Der DDR-Volksmund löste die Abkürzung ARD mit „Außer Raum Dresden“ auf, die Gegend um die sächsische Elbmetropole wurde als „Tal der Ahnungslosen“ verspottet.

    Noch in den 1960er Jahren versuchte die SED den Empfang westlicher Programme mit technischen Mitteln zu verhindern, vor allem den Radiosender RIAS, den die amerikanische Besatzungsmacht 1946 als Gegenstück zum sowjetisch kontrollierten Berliner Rundfunk gegründet hatte. Mitte der 1980er Jahre hatte die politische Führung in der DDR ihre Strategie verändert und genehmigte beispielsweise den Bau von Gemeinschaftsantennen, um die Bevölkerung durch Verbesserung des „Westempfangs“ zu besänftigen. Angehörigen der Sicherheitsorgane war der Empfang westlicher Sender allerdings bis zur Auflösung der DDR verboten, auch unter SED-Funktionären blieben sie offiziell verpönt.

    Trotz ihrer eingeschränkten Verfügbarkeit war der Einfluss westlicher Medien auf die DDR-Gesellschaft groß, denn sie durchbrachen das Nachrichtenmonopol der SED. Auch zensierte Nachrichten verbreiteten sich unter der Hand schnell. Als Ergebnis des Grundlagenvertrags beider deutscher Staaten wurden ab 1973 in der DDR auch Korrespondenten westlicher Medien akkreditiert. Zusammen mit Diplomaten bildeten sie ein zunehmend wichtiges Kontaktnetzwerk für oppositionelle DDR-Bürger.

    Besondere Bedeutung erlangten Westmedien für die Menschen in der DDR immer dann, wenn sie unzensierte Informationen über Proteste im Inland und in den anderen sozialistischen Staaten verfügbar machten: Dies war während des DDR-Volksaufstandes 1953 genauso der Fall wie während des ungarischen Volksaufstands 1956, anlässlich des „Prager Frühlings“ 1968 und im Herbst 1989, als Demonstrationen und Fluchtströme die SED-Diktatur ins Wanken brachten. Während die DDR-Zeitungen beispielsweise die Leipziger Montagsdemonstranten im September 1989 noch als „kriminelle Rowdys“ beschimpften, konnte die DDR-Bevölkerung etwa über den gut zu empfangenden Deutschlandfunk authentische Berichte über die Lage hören.

Icon - Maschendrahtzaun

Syrien und Flucht heute

  • Bürgerkrieg in Syrien

    Ausgehend von Tunesien kam es ab Ende 2010 in zahlreichen arabischen Staaten zu Massenprotesten gegen die jeweiligen autokratischen Machthaber. Die Forderungen der Demonstranten konzentrierten sich zumeist auf mehr Freiheitsrechte und bessere Lebensbedingungen für die Bevölkerung. Auch auf Syriens Straßen protestierten in den folgenden Monaten Tausende Menschen, darunter viele Jugendliche und Studenten. Sie forderten demokratische Reformen, Pressefreiheit, freie Wahlen sowie ein Ende der brutalen Unterdrückung durch die staatlichen Geheimdienste. Als die syrische Regierung gewaltsam gegen die Proteste vorgehen ließ und immer öfter sogar Schüsse auf friedliche Demonstranten fielen, forderten die Aufständischen schließlich auch direkt den Rücktritt von Präsident Baschar al-Assad.

    Zur Niederschlagung der Aufstände mobilisierte die Staatsführung unter anderem auch die Armee. Um nicht auf friedliche Zivilisten schießen zu müssen, desertierten allerdings Zehntausende Soldaten oder entzogen sich ihrer Einberufung durch Flucht oder Untertauchen, denn Fahnenflüchtigen drohen in Syrien langjährige Haft, Folter und sogar die Todesstrafe.

    Einige der Deserteure schlossen sich mit Teilen der Aufständischen zur sogenannten Freien Syrischen Armee (FSA) zusammen und traten den Regierungstruppen fortan militärisch gegenüber. Daneben entstanden auch islamistische Milizen, die vor allem von internationalen Terrorgruppen unterstützt werden. Daneben kämpften im Norden des Landes auch Kurden gegen Assads Truppen, unter anderem für das Ziel eines eigenständigen Kurdenstaates. Im Schatten des syrischen Bürgerkriegs gründete sich schließlich der sogenannte Islamische Staat (IS), eine radikal-dschihadistische Terrororganisation, die weite Teile Syriens und des Iraks mit Mord und Angst überzog.

    Die Verbrechen des Assad-Regimes gegen die eigene Bevölkerung nahmen im Verlauf des Bürgerkriegs ein neues Ausmaß an. Die Regierungstruppen warfen gezielt Streubomben in Wohnvierteln ab und zielten dabei auch auf Krankenhäuser und Schulen. Ferner werden sie beschuldigt, mehrere Male Giftgas eingesetzt zu haben. Sie riegelten ganze Stadtteile, Städte oder Regionen wie Aleppo, Ost-Ghouta und Idlib ab und blockierten internationale Hilfslieferungen für deren Bewohner. Auch andere Konfliktparteien, vor allem die islamistischen Gruppierungen, begingen Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung. Insgesamt kostete der Krieg bisher nach Schätzungen der Vereinten Nationen etwa eine halbe Million Menschen das Leben. Rund 12 Millionen Menschen sind vor Krieg und Gewalt in Syrien auf der Flucht, davon etwa 6,6 Millionen im Ausland – vorwiegend in den benachbarten Staaten Türkei, Libanon, Jordanien und Saudi-Arabien. Etwa eine Million syrischer Geflüchteter lebt heute in Europa, davon mehr als 800.000 in Deutschland.

    Im Verlauf des Krieges griffen immer wieder auch regionale Mächte wie der Iran oder die Türkei in den Krieg ein, um eigene geostrategische Interessen zu verfolgen. Auch Russland, China und die USA, verschiedene europäische Staaten sowie die NATO sind oder waren direkt bzw. indirekt in den Konflikt involviert. Mit der Unterstützung Russlands gelang es Assad seit 2015 Stück für Stück fast alle Landesteile zurückzuerobern. Trotzdem gilt der Bürgerkrieg gegenwärtig nicht als beendet. Kämpfe zwischen Regierungstruppen, islamistischen Milizen und Oppositionsgruppen flammen immer wieder auf. Eine diplomatische Lösung scheint heute aber ferner denn je. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kommt aufgrund des russischen und chinesischen Vetos zu keiner gemeinsamen Verurteilung der begangenen Kriegsverbrechen. Millionen Menschen in Syrien bleiben auf humanitäre Hilfe angewiesen. Seit 2020 verschärft die Corona-Pandemie zusätzlich die angespannte Lage der Zivilbevölkerung.

  • Europäische Migrationspolitik

    Die Migrationspolitik der Europäischen Union (EU) ist in den letzten Jahrzehnten durch Abschottung und Uneinigkeit gekennzeichnet. So konnten sich die EU-Mitgliedsstaaten weder auf legale Möglichkeiten zur Einreise Asylsuchender noch auf eine gemeinsame zivile Seenotrettungsmission im Mittelmeer einigen. Unter der Koordination der EU-Grenzschutzagentur Frontex wurden in den letzten Jahren zwar Zehntausende in Seenot geratene Flüchtende gerettet, allerdings ist die Behörde eigentlich in erster Linie für die Sicherung der südlichen Außengrenzen zuständig. So kommt es etwa in der Ägäis immer wieder vor, dass die europäischen Grenzschützer die Motoren von Flüchtlingsbooten zerstören und diese anschließend wieder in türkische Küstengewässer zurückschleppen. Diese sogenannten Push-Backs sehen viele Juristen und auch der Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen als illegal an, weil den Flüchtenden dadurch ihr Recht auf Beantragung von Asyl verweigert wird und sie in Seenot keine Hilfe erhalten.

    Uneinigkeit besteht ebenfalls über die Verteilung von Geflüchteten auf die EU-Mitgliedstaaten. Momentan gilt in der EU grundsätzlich, dass jeder Schutzsuchende einen Asylantrag nur in dem Land stellen kann, in dem er zuerst europäischen Boden betritt. In den meisten Fällen sind das neben mitteleuropäischen Staaten wie Ungarn die südeuropäischen Mittelmeeranrainer Griechenland, Italien, Malta und Spanien. Geflüchtete, die von dort beispielsweise nach Deutschland weiterreisen, können also in ihr Ankunftsland abgeschoben werden.

    Durch dieses sogenannte Dublin-III-System schulterten die südlichen Grenzstaaten der EU lange die Hauptverantwortung für die Aufnahme von Geflüchteten in Europa. Die Staaten ohne EU-Außengrenze konnten deswegen die Zuständigkeit für ein Asylverfahren meistens an die ursprünglichen Einreisestaaten abgeben und Geflüchtete wieder dorthin abschieben. Als die Geflüchtetenzahlen nach Beginn des syrischen Bürgerkriegs besonders stark anstiegen, wurde immer deutlicher, dass das Dublin-III-System nicht funktioniert und ungerecht ist. Deutschland begann damit, die Asylanträge Geflüchteter aus Syrien unabhängig von ihre Einreiseroute selbst zu bearbeiten. Gleichzeitig drängte die Bundesregierung angesichts Hunderttausender nach Deutschland strebender Flüchtender auf einen europäischen Verteilungsmechanismus für Schutzsuchende. Andere EU-Staaten – vorwiegend aus Ostmitteleuropa – blockieren diese Reformierung des Dublin-Systems, um keine Geflüchteten aufnehmen zu müssen.

    Einigen konnten sich die EU-Staaten jedoch auf das Ziel, die Fluchtrouten über das Mittelmeer zu schließen, um die Fluchtbewegungen aus Afrika und Vorderasien möglichst schon vor Europas Außengrenzen zum Erliegen zu bringen. Im Fall der Östlichen Mittelmeerroute gelang dies weitgehend durch ein 2016 verhandeltes Rückführungs- und Unterstützungsabkommen mit der Türkei. Dadurch soll einerseits das Massensterben im Mittelmeer beendet werden, andererseits dient das Abkommen der beschriebenen Abschottung Europas.

  • Fluchtwege nach Europa

    Viele Europäer sind davon überzeugt, dass sich die weltweiten Fluchtströme der Gegenwart vor allem in Richtung des europäischen Kontinents bewegen. In Wirklichkeit haben vergleichsweise wenige Flüchtende die Absicht – ganz zu schweigen von den notwendigen Mitteln – sich auf den Weg nach Europa zu machen. Die weitaus meisten flüchten in eine sicherere Region in ihrem Land oder suchen Schutz in einem der Nachbarländer. Gemessen an seiner eigenen Einwohnerzahl hat das kleine Land Libanon aktuell die weltweit meisten Flüchtlinge aufgenommen. Zutreffend ist aber, dass Europa – vor allem das Territorium der Europäischen Union (EU) – im internationalen Fluchtgeschehen aufgrund des Wohlstands, der politischen Stabilität und der demokratischen Freiheiten ein zentraler Zielort ist. Auf legalem Weg ist die Einreise in die EU für die meisten Flüchtenden nicht möglich, da sie nur selten ein Visum direkt in ihrem Herkunftsland erhalten. Die zuständige deutsche Botschaft in Syrien beispielsweise blieb seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs geschlossen.

    Als Flüchtender ohne Visum in die EU zu gelangen, ist ausgesprochen schwierig. Die Landgrenzen im Osten und im Südosten wurden in den letzten Jahrzehnten unter großem Aufwand gesichert und werden streng überwacht. Flüchtende entscheiden sich deswegen immer häufiger für eine riskante Fahrt über das Mittelmeer: entweder entlang der Zentralen Mittelmeerroute über Libyen bzw. Tunesien nach Italien oder entlang der Östlichen Mittelmeerroute über die Ägäis von der Türkei nach Griechenland.

    Diese Routen sind gefährlich, aber von den europäischen Grenzschutzbehörden auf See nur schwer zu kontrollieren. Schlepper nutzen diese Tatsache und locken die Flüchtenden mit dem Versprechen einer schnellen Überfahrt. Meist verkaufen sie ihnen Plätze in seeuntauglichen Booten, die noch dazu völlig überladen werden. Für eine Überfahrt zahlt ein Flüchtender laut einer Studie im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge durchschnittlich 7.000 Euro, wofür viele Menschen all ihr Hab und Gut veräußern. Wer nicht genug Geld aufbringen kann, muss vor der Überfahrt monatelang in einem Drittland warten und unter schlechten, gefährlichen sowie häufig inhumanen Bedingungen leben und arbeiten.

    Die Schlepper setzen die Flüchtlingsboote in der Regel vor der Küste italienischer, spanischer oder griechischer Inseln aus, teilweise aber auch auf hoher See – nicht selten völlig manövrierunfähig, ohne Motor und ohne Verpflegung für die Insassen. Regelmäßig kommt es deshalb im Mittelmeer zu schweren Bootsunglücken, bei denen Hunderte Flüchtende ertrinken. Die Vereinten Nationen (UN) bezeichnen den Weg über das Mittelmeer daher als „tödlichste Seeroute der Welt“. Laut der UN-Organisation für Migration (IOM) starben im Mittelmeer allein zwischen 2014 und 2020 mehr als 20.000 Menschen auf dem Weg nach Europa.

    Zahlreiche nicht-staatliche, spendenfinanzierte Hilfsorganisationen fahren Missionen im Mittelmeer und retten in Seenot geratene Menschen aus überfüllten oder sinkenden Booten. Sie kritisieren dabei auch die europäische Migrationspolitik und sehen einen direkten Zusammenhang zwischen dem Ertrinken Tausender Geflüchteter im Mittelmeer und der Abschottungspolitik der Europäischen Union. Ihre humanitären Hilfsmissionen werden durch die Behörden der europäischen Mittelmeeranrainerstaaten unter Inkaufnahme von Menschenrechtsverletzungen immer wieder behindert: so dürfen etwa Rettungsschiffe nicht in europäische Häfen einlaufen oder werden dort direkt konfisziert und festgesetzt, während die Geflüchteten die Schiffe nicht verlassen dürfen.

  • Rechtliche Situation Geflüchteter in Deutschland 

    Wer als Geflüchteter Schutz in Deutschland sucht, darf im Land bleiben, wenn er in einem Asylverfahren gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seine Schutzbedürftigkeit glaubhaft machen kann. Rechtlich gibt es dazu je nach persönlicher Situation und der Lage im Herkunftsland vier verschiedene Schutzformen: Die Anerkennung als Asylberechtigter, die Gewährung von Flüchtlingsschutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), die Gewährung von subsidiärem Schutz und ein Abschiebeverbot.

    Die engsten Anforderungen stellt die Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Artikel 16a des Grundgesetzes. Hiernach erhält Asyl, wer im Heimatland aufgrund der Rasse (im Sinne der GFK), Nationalität, politischen Überzeugung, Religion oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe politisch verfolgt oder von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen bedroht ist. Geflüchtete können allerdings nur einmal innerhalb der Europäischen Union einen Asylantrag stellen – in der Regel im Ankunftsland.

    Der Flüchtlingsschutz gemäß der GFK ist dagegen weiter gefasst und greift auch bei der Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, im Fall des syrischen Bürgerkriegs also auch bei der Verfolgung durch islamistische Milizen oder die Terrororganisation „Islamischer Staat“.

    Wer weder Asyl noch Flüchtlingsschutz erhält, kann einen Anspruch auf sogenannten subsidiären Schutz nach § 4 des Asylgesetzes geltend machen, wenn ihm nach Abschiebung in sein Herkunftsland „ernsthafter Schaden“ für Leib und Leben drohen würde, etwa durch Krieg, Folter oder die Vollstreckung der Todesstrafe.

    Greifen die drei genannten Schutzformen nicht, kann unter bestimmten Umständen ein Abschiebeverbot erteilt werden, wenn die Abschiebung eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellen würde. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn etwa eine lebensbedrohliche Erkrankung der Person in ihrem Herkunftsland nicht behandelt werden kann.

    Die Schutzformen unterscheiden sich dabei erheblich hinsichtlich ihrer Konsequenzen für den Schutzsuchenden – zum Beispiel in der Dauer, für die der Schutz gewährt wird, im Arbeitsmarktzugang und in der Möglichkeit des Familiennachzugs. Die Aufenthaltserlaubnis ist beim subsidiären Schutz zeitlich begrenzt. Darüber hinaus haben die Schutzsuchenden zwar unbeschränkten Arbeitsmarktzugang und die Erwerbstätigkeit ist gestattet, die Selbständigkeit ist jedoch ausgeschlossen. Dadurch haben Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge gewisse Vorteile gegenüber Menschen, die lediglich subsidiären Schutz erhalten oder aufgrund eines Abschiebeverbots in Deutschland bleiben.

    Im Rahmen des Asylverfahrens prüft das BAMF die Schutzberechtigung jedes Antragstellers individuell. Bestimmte Länder gelten jedoch als „sichere Herkunftsstaaten“. Wer aus einem dieser Länder nach Deutschland flieht, muss höhere Hürden beim Nachweis seiner Schutzbedürftigkeit bewältigen und kann leichter abgeschoben werden. Sichere Herkunftsstaaten sind derzeit alle EU-Länder, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien.

    Menschenrechts- und Geflüchtetenorganisationen kritisieren die Erweiterung der Liste „sicherer Herkunftsländer“ und zahlreiche weitere Verschärfungen des Asylrechts der letzten Jahre. Scharfe Kritik üben sie auch am Asylverfahren selbst, welches die Antragstellenden immer wieder strukturell benachteilige – durch lange Wartezeiten, mangelhafte Beratung, fehlenden anwaltlichen Beistand und zu wenige Sprachmittler. Schließlich steht auch die soziale Situation Geflüchteter im laufenden Asylverfahren in der Kritik: Vor einem positiven Entscheid haben Schutzsuchende keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und keinen Anspruch auf den Besuch von Sprach- oder Integrationskursen. Sie erhalten deutlich niedrigere Sozialleistungen als etwa Empfänger von Arbeitslosengeld II. Teilweise werden Lebensmittelgutscheine statt Geld ausgegeben. Je nach Bundesland sind die Asylbewerber in zentralen oder dezentralen Unterkünften untergebracht. Ihren Wohnort dürfen sie nicht frei wählen. In Kombination mit im Alltag immer wieder erlebtem Rassismus und Diskriminierung führen diese rechtlichen Rahmenbedingungen dazu, dass sich viele Geflüchtete in Deutschland als „Menschen zweiter Klasse“ fühlen.

  • Syrien vor dem Bürgerkrieg

    Seit 1970 wird Syrien auf allen Ebenen von Mitgliedern der Großfamilie Assad diktatorisch regiert – zunächst von Hafiz al-Assad, seit 2000 dann von seinem Sohn Baschar al-Assad. Offiziell gibt es im Land zwar ein Mehrparteiensystem und es finden regelmäßig Wahlen statt, faktisch dominiert aber die Baath-Partei, welche vollständig auf die Machtsicherung des Präsidenten ausgerichtet ist. Die ursprüngliche Ideologie der Baath-Partei – die Schaffung eines säkularen, sozialistisch orientierten Staates, der alle arabischsprachigen Länder umfassen soll – hat inzwischen stark an Bedeutung verloren gegenüber dem Ziel der reinen Herrschaftssicherung in Syrien. Machtpositionen in Partei und Regierung besetzen Angehörige der Alawiten, einer kleineren Religionsgemeinschaft innerhalb des Islams, welcher auch die Familie Assad angehört.

    Nachdem Hafiz al-Assad im Jahr 1970 durch einen Putsch an die Macht gekommen war, baute er in den folgenden Jahrzehnten einen gigantischen Sicherheits- und Überwachungsapparat auf. Oppositionelle Bestrebungen und Aufstände wurden brutal niedergeschlagen. Warenknappheit, Korruption und die Bespitzelung durch zahlreiche Geheimdienste prägten den Alltag der Menschen. Wer sich in der Öffentlichkeit kritisch äußerte oder weigerte, dem Personenkult um Assad zu folgen, riskierte Haftstrafen, Folter oder sogar den Tod in einem der zahlreichen Gefängnisse. Gerichtsverfahren waren dabei eher selten; meist entschied die Geheimpolizei ohne jegliche Verhandlung.

    Als Hafiz Al-Assad im Jahr 2000 starb und sein Sohn Baschar das Präsidentenamt übernahm, hofften viele Syrer auf eine Liberalisierung und Modernisierung durch den damals 34-Jährigen, der zuvor in Großbritannien Medizin studiert hatte. In den ersten Monaten der neuen Präsidentschaft schienen diese Hoffnungen berechtigt: Baschar al-Assad erlaubte die Nutzung des Internets und entließ Hunderte politische Gefangene, während Intellektuelle über demokratische und soziale Reformen diskutieren durften. Im September 2001 beendete Assad jedoch diesen sogenannten Damaszener Frühling und begann wieder mit der Unterdrückung jeglicher Opposition. Überwachung, Folter und das Verschwindenlassen politischer Gegner gehörten seither wieder zu den Mitteln der syrischen Geheimdienste.

    Wie in vielen Diktaturen traf die volle Härte des Unterdrückungsapparates in erster Linie diejenigen, die Unzufriedenheit erkennen ließen, ihre kritische Meinungen äußerten oder gegen die Herrschaft aufbegehrten. Die alawitische Herrscherfamilie al-Assad hielt sich die sunnitische Mehrheit im Land gefügig, indem sie an Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe Ämter und Privilegien auf allen Ebenen verteilte. Eine ebenso wichtige Rolle für ihre Machtsicherung spielte die große christliche Minderheit des Landes, die im zivilen Leben zahlreiche Sonder- und Schutzrechte genießt, wie Kirchen, eigene Schulen und Gerichte. Gleichzeitig orientierten sich in großen Städten wie Damaskus und Aleppo immer mehr Menschen an europäischen Standards von Wohlstand und freiem Meinungsaustausch. Eine Mischung aus Angst, Unzufriedenheit, Wut und Sehnsucht nach Reformen prägte bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs im Jahr 2011 den Alltag vieler Menschen in Syrien.